Das Bedürftigentestament

Das Bedürftigentestament (2011/05)

Bekanntermaßen können Eltern eines behinderten Kindes ein sog. Behindertentestament errichten, um ihr Vermögen nach dem eigenen Ableben der Familie zu erhalten und gleichzeitig das behinderte Kind vor Verlust seines Sozialhilfeanspruchs zu schützen.

Hierzu bestimmen sie das behinderte Kind als nicht befreiten Vorerben und die Geschwister oder Andere als Nacherben, verbunden mit einer vergüteten Dauertestamentsvollstreckung für die Zeit der Vorerbschaft mit genauen Verwaltungsanweisungen. Dem behinderten Kind kommen somit nur die Früchte seines Erbes zugute, die vom Sozialhilfeträger nicht angetastet werden dürfen, eine Folge, die derartige Testamentsgestaltungen nach Ansicht des BGH nicht sittenwidrig macht.

Höchstrichterlich noch nicht geklärt ist die Frage, ob eine testamentarische Verfügung analog dem Behindertentestament zugunsten eines Arbeitslosengeld IIBeziehers, sog. Bedürftigentestament, sittenwidrig ist.

Die Situation eines Behinderten ist mit der eines Arbeitslosen nicht ohne weiteres vergleichbar. Während der Behinderte der besonderen Fürsorge seiner Eltern bedarf, kann der Sozialhilfeempfänger hierauf regelmäßig verzichten. Dem Arbeitslosen werden Annehmlichkeiten aus dem Nachlass aufgrund geschickter Testamentsgestaltung zuteil, während für dessen Lebensunterhalt der Steuerzahler aufkommen muss, was als sozialschädlich angesehen werden kann.

Für die Wirksamkeit und somit gegen die Sittenwidrigkeit des Bedürftigentestaments spricht jedoch, dass der Gesetzgeber der Testierfreiheit einen besonders hohen Stellenwert beimisst. Wenn der Erblasser dem arbeitslosen Kind nur die Früchte seines Vorerbes, nicht jedoch dessen Substanz überlassen wollte, ist diese Entscheidung von der Rechtsordnung zu respektieren, auch wenn sie dazu führt, dass die Allgemeinheit Leistungen erbringen muss, die bei gesetzlicher Erbfolge oder anderer Testamentsgestaltung nicht zu erbringen wären.

Aus zuletzt genanntem Grund dürfte ein Bedürftigentestament nicht sittenwidrig und somit eine überlegenswerte Nachlassgestaltung sein.

Dr. Carola Einhaus, Rechtsanwältin