„Geschenkt ist geschenkt und wiederholen ist gestohlen“, heißt es im Volksmund. (2013/08)
„Geschenkt ist geschenkt und wiederholen ist gestohlen“, heißt es im Volksmund. Das gilt im Erbrecht nicht uneingeschränkt. Schenkungen können zurückgefordert werden.
Regelmäßig bestimmen Ehegatten sich gegenseitig in einem sog. Ehegattentestament als Alleinerben. Gemeinsame Kinder werden somit auf den ersten Erbfall enterbt. Sie haben beim Tod des ersten Elternteils lediglich Anspruch gegen den überlebenden Elternteil auf Auszahlung ihres Pflichtteils. Dieser Anspruch wird jedoch selten geltend gemacht, wenn die Kinder wissen, dass für sie testamentarisch die Schlusserbschaft beim Tod des zweiten Elternteils vorgesehen ist.
Anders verhält es sich, wenn der Erblasser, in zweiter Ehe verheiratet, ohne Kontakt zu seinem Kind aus erster Ehe, den jetzigen Ehegatten als Alleinerben bestimmt. Hier wird häufig der Pflichtteil gegen den Stiefelternteil geltend gemacht. Denn die finanziell lukrative Schlusserbschaft des Stiefkindes bildet in solchen Fällen eher die Ausnahme.
Ist das Verhältnis zwischen Erblasser und enterbtem Kind aus erster Ehe zudem zeitlebens schlecht gewesen, wird der Erblasser durch Schenkungen an seinen Ehegatten und Dritte – beide sind üblicherweise freundschaftlich oder verwandtschaftlich eng miteinander verbunden – den Wert des Nachlasses und damit den des Pflichtteils seines Kindes verringert haben. Das Kind kann dann zwar eine Ergänzung seines Pflichtteils von dem Stiefelternteil als Erbe und Beschenkter verlangen. Doch wenn der Nachlass nicht ausreicht, um Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch des Kindes zu befriedigen, muss es sich an die übrigen Beschenkten wenden.
Hier ist zu berücksichtigen, dass sich der für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs zugrunde zu legende Wert des Geschenks in jedem Jahr, das seit der Schenkung bis zum Erbfall verstrichen ist, bereits um ein Zehntel verringert hat. Sind seitdem 10 Jahre vergangen, ist die Schenkung nicht mehr relevant. Außerdem können sich Beschenkte darauf berufen, sie hätten in Unkenntnis des geltend gemachten Pflichtteilsergänzungsanspruchs die Geschenke ersatzlos verbraucht. In dem Fall haften sie weder auf Herausgabe der Geschenke noch auf Wertersatz. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sie bei Verbrauch der Geschenke bereits von dem enterbten Kind auf Herausgabe der Geschenke verklagt worden waren.
Dr. Carola Einhaus-Selter, Rechtsanwältin
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